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Presse

WENN DIE ENTEN ZU DEN STERNEN STARTEN

OÖN | 07.04.2007

Freistadt hat eine neue Sehenswürdigkeit. Oder ein Gesprächsthema, ganz wie man es nimmt. Ein Wartehäuschen für die Bushaltestelle beim Böhmertor hat die alt bekannte Stadtsilhouette um ein kleines aber würziges Detail ergänzt. VON ROMANA RING Von den Linzer Anytime Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit dem ortsansässigen Architekten Christian Hackl geplant, sprengt das Wartehäuschen den Rahmen des - nicht nur in Freistadt - Alltäglichen. Die Aufgabenstellung wäre ja noch unverdächtig, wenn auch nicht bar jeder Komplexität gewesen: Die bewusste Haltestelle liegt am so genannten Frauenteich, jenem Teil der alten Befestigungsanlage Freistadts, aus dem im gegebenen Fall der Stadtgraben geflutet werden konnte. Deshalb sollte nicht nur ein Unterstand für die auf den Bus Wartenden errichtet, sondern auch ein Abgang ans Wasser - zum Zwecke der Wartung und des Eisstockschießens - geschaffen werden. Diesem historisch-sportlichen Kontext wiederum wollten sich die Architekten nicht verschließen und schufen daher anstelle eines mehr oder weniger schönen, neben einer Stiege zum Wasser gelegenen Verkehrs(neben)bauwerks eine baukünstlerische Geste, die beide Nutzungen in sich vereint. Die Umfassungsmauer des Teiches ist im Bereich der Haltestelle über Eck aufgeschnitten. Während entlang der einen Flanke der Gehsteig als dünne Betonplatte über der Teichrand kragend verlängert ist, steigt parallel dazu eine zweite, ebenso dünne Betonplatte aus dem Wasser auf, faltet sich zu einer bequem geneigten, das Ufer erschließenden Rampe, faltet sich ein weiteres Mal zur Begrenzung dieses neuen Weges und formt letzten Endes, noch zweimal geknickt, Wand und Dach des Wartehäuschens. Aus dieser Wand ist - man will ja sehen, wenn der Autobus kommt - eine Öffnung geschnitten und praktischerweise gleich als Sitzbank in den Raum geklappt. Dieses "Fenster" ist zum Schutz vor Wind und Wetter wie die gesamte westliche Stirnseite verglast, die Nord- und die Ostseite des kleinen Pavillons hingegen sind offen geblieben. In den Details des Objektes findet sich die minutiöse Gedankenarbeit der Planer fortgesetzt: Die auskragende Gehsteigplatte stößt - man will nichts durcheinander bringen! - mitnichten an die Faltung der Wand sondern ist von dieser durch eine nachts beleuchtete Glasfuge säuberlich getrennt. Die Sitzfläche der Bank wiederum wurde beim Betonieren ausgespart und flächenbündig mit Holz gefüllt. Alle höchst anspruchsvollen Betonarbeiten sind nach Berechnungen und Konstruktionszeichnungen des in Pregarten ansässigen Statikers Harald Weiß von den Mitarbeitern des städtischen Bauhofes vorbildlich durchgeführt worden. Insofern hat sich auch die in der Bevölkerung heftig diskutierte Kostenfrage erübrigt. Die sinnigen Namen aber, die sie Objekten dieser Art so gern verleiht, sind eigentlich ein Kompliment oder, noch schöner: Alltagspoesie. Das neue Wartehäuschen an der Bushaltestelle am Böhmertor in Freistadt bietet auch einen Abgang zum Wasser.